„Ich weiß nicht, wie es meiner Mutter geht. Ich weiß nicht, wie es meinen Mitarbeiter_innen geht. Seit Sonntag gibt es keine Informationen mehr. Telefon und Internet sind komplett abgeschaltet,“ berichtet Abdulaziz Arragie. Der 40 Jahre alte Direktor der Hilfsorganisation KELEM Ethiopia sitzt verzweifelt in der Hauptstadt Addis Abeba.

Am vergangenen Wochenende haben Rebellen der TPLF (Tigray-Befreiungsfront) die strategisch wichtigen Städte Dessie und Kombolcha eingenommen. Die Regierung hat den landesweiten Notstand ausgerufen. Jeglicher Verkehr Richtung Addis Abeba ist verboten, selbst Fußmärsche. „Hier geht die Angst um. Wir wissen nicht, wer in den nächsten Tagen die Oberhand behält. Wir fürchten uns vor einem Bürgerkrieg“, sagt Aragie. Aber noch mehr sorgt er sich um seine Mitarbeiter_innen in Kombolcha.

Erfolge in Gefahr

„Vom Büro in Kombolcha werden unsere Projekte koordiniert“, berichtet unsere Projektleiterin Leonie Dylla. In den letzten Jahren hat TERRA TECH mit KELEM Bildungsprojekte für Schüler_innen und Schulabgänger_innen umgesetzt. Schulen wurden mit neuem Mobiliar ausgestattet, Lehrkräfte geschult. Ein Trainingsinstitut, in dem Jugendliche und junge Erwachsene eine Ausbildung absolvieren können, steht kurz vor der Fertigstellung. „Wir haben tolle Erfolge erzielt. Es tut weh, zu sehen, dass diese nun in Gefahr sind.“

Wir beobachten die kriegerische Auseinandersetzung in Äthiopien schon länger besorgt. „Ein Nothilfe-Projekt für Geflüchtete aus dem Norden war geplant. Dass Dessie und Kombolcha selbst so schnell ins Zentrum des Konfliktes geraten, hat niemand erwartet“, erklärt Dylla. Nahrungsmitteln und Trinkwasser können nun nicht verteilt werden. Den für Dezember geplanten Flug nach Äthiopien wird Dylla wohl absagen.

Sorge um Freund_innen

„Surreal, verrückt und besorgt“, so beschreibt Pressesprecher Chris Schmetz seine Gefühlswelt. Vor zwei Jahren hat er ein Medientraining in Kombolcha geleitet und die Projekte vor Ort dokumentiert. „Während der Reise war ich in Dessie für eine Untersuchung im Krankenhaus. Mir vorzustellen, dass dort nun Krieg herrscht, fällt schwer.“ Schmetz sorgt sich um seine Bekannten vor Ort. „Wir haben damals sehr vertrauensvoll zusammengearbeitet. Dabei sind Freundschaften entstanden.“

Hilfe für Kinder, Frauen und Männer

Aragie, Dylla und Schmetz hoffen, dass schnell wieder Informationen aus dem Krisengebiet kommen. Sie wollen wissen, wie es ihren Mitarbeiter_innen und Freund_innen geht. Neue Hilfsangebote sollen möglichst schnell geplant werden. „Denn Kinder, Frauen und Männer vor Ort brauchen unsere Hilfe“, sind sich die drei sicher. „Bewaffnete Konflikte bringen immer Leid. Leid, dass wir lindern wollen.“